Ein Filmplakat wirbt für Barbie.Barbie (2023) von Greta Gerwig ist filmisch innovativ inszeniert und vor allem sehr witzig. Und keine Frage: Margot Robbie („Stereotypical Barbie“) und Ryan Gosling („Beach Ken“) spielen grandios. Stark ist vor allem die Anfangsszene, als Mädchen – die vormals allein mit Kinder-Puppen spielten und so frühzeitig auf ihre Rolle als Mutter vorbereitet werden sollten – diese Puppen in einer 2001-artigen Szene zerstören. Die folgenden Szenen zeigen uns die Barbie-Welt und diese Anfangsszenen laden dazu ein, herzlich zu lachen. Sie zeigen zum einen ein Gegenbild zur realen Welt, denn es sind die Barbies (nicht die Kens), die sie leiten, die wichtigen Ämter besetzen und Entscheidungen treffen. In gewisser Hinsicht ist die Barbie-Welt auch eine feministische Utopie, da sie frei von einem männlichen Blick ist, durch den Frauen sich definieren sollen. Ken hingegen hat nur Bedeutung als Barbies Gegenpart. Ohne sie ist er nichts. Es ist Ken, der durch den weiblichen Blick geprägt ist. Diese Verkehrung der Verhältnisse aus der realen Welt ist nicht nur lustig, sondern vor allem schlau, da sie auch einem in der realen Welt nicht unmittelbar betroffenen Publikum aufzeigt, wie es sich anfühlt, durch einen fremden Blick definiert zu sein.
Eindrucksvoll ist auch die Einführung von Barbie und Ken in die reale Welt. Plötzlich sind die Rollen aus der Barbie-Welt vertauscht: Barbie fühlt sich durch Blicke angefeindet und bedrängt, während Ken sich frei und stark fühlt. Die ironische Darstellung Kens, der sich an stereotyp ausgestellter Maskulinität (schwitzende Männer mit Sickpacks vor dem Fitnessstudio; Anzugträger, die Frauen zur Ruhe anweisen) erfreut, ist großartig. Ken bringt schließlich mit der Erkenntnis, dass in der realen Welt die Männer die Frauen unterdrücken, das Patriarchat in die Barbie-Welt. Er tut dies, weil er sich von Barbie nicht begehrt fühlt. Einen anderen Weg, mit Zurückweisung umzugehen, kennt er nicht. Hier wird der reale Aspekt des Patriarchats dargestellt, dass es männlicher Kompensation für weibliche Zurückweisung dienen soll.
Während der Film visuell beeindruckend, brillant choreografiert und sehr unterhaltsam ist, hat er den Hype als feministischer Film nicht verdient. Er greift zwar viele feministische Themen auf, bringt jedoch keinerlei neue Erkenntnisse, sondern kommodifiziert Feminismus zu Marketingzwecken. Gezeigt wird in Barbie ein zahnloser und kapitalistisch verwertbarer Lifestyle-Feminismus. Feminismus wird hier nur als Marketingtrick eingesetzt, damit sich das Publikum auf die Schulter klopfen kann, weil es pink trägt. Nichts gegen pink – aber Barbie rüttelt nicht auf und zeigt nichts Neues. Der Film lässt uns uns als Feminist*innen wahrnehmen, weil das Gesagte aus solchen Plattitüden und Binsenweisheiten besteht, dass wir alle zustimmen und sagen können: “Das hab ich mir ja schon immer gedacht.” Aber Feminismus ist eben auch umständlich und kompliziert und Veränderungen tun immer irgendwem weh, weil irgendwer Privilegien abgeben muss.
In sozialen Medien wie Instagram verschwimmen Werbung und Inhalt immer mehr. Es gibt nicht – wie früher im Fernsehen – Inhalte und klar davon abgegrenzte Werbung, sondern die Werbung ist in vielen Fällen der Inhalt. Follower*innen folgen Influencer*innen, gerade weil sie Werbung machen. Ähnlich ist Barbie zwar ein Kunstwerk Film, zugleich aber ein langer Werbefilm für Mattel. Hinzu kommt die massive Werbekampagne, die Mattel für den Film gefahren hat. Der Film versucht sich – die Ansätze von Mattel aufgreifend – halbherzig in Diversity: es gibt immerhin eine “übergewichtige” Barbie, eine Barbie im Rollstuhl etc. Halbherzig äußert die der Gen-Z angehörende Sasha (Ariana Greenblatt) auf dem Schulhof ihre Bedenken (Stichwort: Körperbild). Diese stehen aber zusammenhanglos im Raum und werden im weiteren Verlauf des Films nicht mehr aufgegriffen. Sie wurden pro forma genannt. Stattdessen werden in anstrengend-pathetischen Reden Offensichtlichkeiten über die widersprüchlichen Erwartungen an Frauen gesagt. Unklar ist, ob diese Reden – die an klassischen Hollywood-Kitsch erinnern – emotional ergreifen sollen. Sie sorgen eher für Distanz zum Geschehen im Film. Auch die Szene gegen Ende, in der Barbie mit ihrer Erschafferin spricht, hat absolut keinen interessanten Inhalt. Es geht nur darum, dass Barbie von einer Frau geschaffen wurde und Frauen doch alles sein können, was sie sein möchten, ohne dass sie um Erlaubnis bitten müssen. Das sind aber hohle Phrasen eines liberalen Feminismus, der gesellschaftliche Bedingungen ignoriert und Verantwortlichkeiten auf das Individuum verlagert.
Während die Barbie-Welt inhaltlich in gewisser Hinsicht eine feministische Utopie darstellt, bleibt insbesondere die filmische Darstellung komplett traditionell. Obwohl die Barbies keinem männlichen Blick ausgesetzt sind, tragen sie stereotyp aufreizende Kleidung. Die Szenerie ist visuell gefällig und auf den „male gaze“ ausgerichtet. Wie Nina Menkes in Brainwashed (hier besprochen) aufzeigt, können Filme aber auch dann, wenn sie kritisch sein wollen, eingeschliffene Stereotype perpetuieren. Barbie will (angeblich) kritisieren – wohl nicht in erster Linie, aber doch auch die absurden Körperbilder, die Frauen aufgedrängt bekommen. Indem wir aber 114 Minuten lang nahezu ausschließlich perfektionierte, sterile, hyperfeminisierte Frauenkörper sehen, prägt sich dieses Bild noch tiefer ein. Würde am Ende des Films tatsächlich eine „Ordinary Barbie“ eingeführt, wie Gloria es vorschlägt, würden wir sie ziemlich sicher hässlich finden. Unser Körperbild hat sich nach Barbie sicher nicht zum Positiven verändert. Nahezu unerheblich ist es dabei, wenn auf der inhaltlichen Ebene das Gegenteil behauptet wird, etwa wenn Barbie einer älteren Frau aus heiterem Himmel und scheinbar zusammenhanglos rührselig sagt: “You are so beautiful.”
Wir leben in visuellen Zeiten (Stichwort: Instagram). Daher ist es nicht verwunderlich, dass ein Film, der visuell so viel zu bieten hat, gehyped wird. Das ist absolut nachvollziehbar und legitim. Aber der Feminismus schuldet der Barbie nichts und pink ist immer noch eine Farbe wie jede andere.